aus: tip Berlin Magazin, Nr 16/04 29.07.2004
SKAndalös vernachlässigt
Ska führt in Berlin eher eine Randexistenz. Der erste Hauptstadt-Ska-Sampler soll dies nun ändern.
Welcher Musiktrend hat in den letzten Jahren nicht schon sein Revival gefeiert? Nach dauerhaft nerviger
Beschallung mit 80er-Synthis und dem Electroclash-Hype des vergangenen Sommers darf sich jetzt wieder
Punkrock als das Ding schlechthin feiern lassen. Nur Ska fristet seit mindestens 20 Jahren ein Dasein als
Club-Kellerkind.
Gut, Ami-Größen wie No Doubt verweisen immer gerne auf ihre Ska-Wurzeln, weil man damit auch die Avantgarde
ins Boot holen will, doch letztlich erreicht davon nichts die Charts. Dabei hat der Reggae-Vorläufer mit
seinem blitzschnellen Tempo und seinem rasanten Antwortspiel aus Gesang und knalligen Bläserpassagen alle
Eigenschaften zur Partytauglichkeit: schnell, voll herben Humors und smarter Texte, aber ohne, wie Punk,
oft in der dumpfen Suffkoppmitgrölecke zu stehen.
So viel Einzigartigkeit schreit nach Lobby, und so hat Ludwig Graf Westarp, Sänger der Berliner Ska-Combo
Tiefenrausch und Labelgründer von SKaro Records, mit echtem Pioniergeist den ersten Berliner Ska-Smapler
zusammengestellt. Mit 16 Bands leuchtet "Hauptstadt-Ska" die ganze Bandbreite der Genremöglichkeiten
aus: Zu französischen, englischen und deutschen Texten geht es mal mit gehörigem Tempo Richtung Punkrock, mal
Richtung gefühlvollem Reggae. Was jedoch alle vertretenen Bands eint, ist die politische Haltung, denn Ska
ist -- wie auch die Skinhead-Bewegung in ihren Anfängen -- links und vor allen Dingen sozial ausgerichtet
und engagiert. Marcus Weingärtner
Hauptstadt-Ska (Skaro Records), mit Mother's Pride, Tiefenrausch, Mutabor, Skatoon Syndikat, Solitos
u.a.; www.skarorecords.de
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